Neues Leben in der Mainzer Straße: Die Kultur- und Literaturlounge entdecken

Die Mainzer Straße in Oppenheim – früher eine blühende Einkaufsstraße, heute blickt man leider in zu viele leerstehende Geschäfte.

Herzlich willkommen in Oppenheim. Auf den ersten Blick denkt man, bei der Lounge handelt es sich um einen weiteren Buchladen oder eine Bibliothek. Was genau ist die Literatur- und Kulturlounge?

Sissi Steuerwald: Danke für das Interview und das Interesse. Die Frage wird mir tatsächlich sehr häufig gestellt, da mein Konzept auch neu ist. In der Lounge gibt es zum einen eine große Bücherwand mit speziell für mich gefertigte Weinkisten. Hier möchte ich den regionalen Aspekt hervorheben. 

Die Titel darin sind von unabhängigen Verlagen und Selfpublisher:innen, jene, die ihre Bücher ohne Verlag veröffentlichen. Diese beiden Gruppen haben es aktuell sehr schwer in den stationären Buchhandel zu kommen, weshalb ich keine Konkurrenz eines Buchladens bin, sondern mein Angebot als Ergänzung sehe. Wichtig hierbei ist noch zu sagen, dass ich nicht mit einem Barsortiment, also einem Zwischenbuchhändler, bei dem die Buchläden ihre Ware beziehen, sondern direkt im Kontakt mit den Verlagen oder Autor:innen stehe. Diese bewerben sich bei mir, damit ich im Vorfeld die Qualität prüfen kann, denn nur Bücher, die professionell publiziert werden, können einen Loungekisten-Platz bekommen.  

Ebenso gibt es aber auch andere Produkte.

Sissi Steuerwald: Das ist richtig. Nicht nur unabhängige Publisher haben es schwer im Zeitalter des Onlineshoppings gesehen zu werden. Das Gleiche gilt auch für Manufakturen, die ebenfalls ihre Produkte mit Herz und in Qualität herstellen. 

Deshalb biete ich auch regionalen Manufakturen oder jenen, die einen inhaltlichen Bezug zu Literatur oder Wein haben, ebenfalls die Möglichkeit in der Literatur- und Kulturlounge ihre Waren von mir präsentieren und verkaufen zu lassen. Auch hier sind mir Qualität wichtig.  

Du bewirbst deine Lounge mit „Dein neuer Lieblingsplatz". Das klingt nicht nur nach Verkauf, sondern auch verweilen. Was genau beinhaltet dein Konzept noch?

Sissi Steuerwald: Mir ist es wichtig, dass Menschen wieder einen Ort haben, wo sie eine Auszeit vom Alltag haben und Gleichgesinnte treffen können. Darum gibt es zum einen ein paar Plätze als Co-Working-Space, an denen man arbeiten, handarbeiten oder sich treffen kann.

Gleichzeitig werden Veranstaltungen angeboten, die zum Weiterbilden und natürlich auch vernetzen dienen. Mein Schwerpunkt sind Themen vor Schreibende, allerdings bin ich gerade im Austausch mit anderen Experten, die gerne Kurse für Handarbeiten oder Gesundheitsthemen anbieten möchten. 

Zwei Dinge sind mir hier wichtig: Einmal, dass es in kleinen Gruppen stattfindet, damit jeder Teilnehmende zu Wort kommen kann, individuelles Feedback erhalten kann und nicht einer von vielen ist. Auch bei Lesungen, die geplant sind, muss man nicht nach der Veranstaltung in einer Schlange stehen, um ein schnelles Selfie beim Signieren zu machen, sondern der anschließende Austausch mit der jeweiligen Autorin oder dem Autor steht im Fokus. Deshalb ist mir als zweiter Punkt ein wertschätzender Austausch auf Augenhöhe wichtig, so dass ein Ort entsteht, wo jeder Mensch sich willkommen fühlt.

Jedes Unternehmen spricht eine bestimmte Zielgruppe an. Wie ist die der Literatur- und Kulturlounge definiert?

Sissi Steuerwald: Jeder Mensch ist willkommen, dem wichtig ist, dass Vielfalt und Qualität nicht durch Billigprodukte vom Markt verdrängt werden. Jeder, der verstanden hat, dass die Zukunft nicht in Onlineangebote ohne Mehrwert liegen kann, hier denke ich vor allem an die kostenlosen Lock-Seminare, aber auch die minderwertig hergestellten Produkte, die nur zum Zweck von einer hohen Gewinnmarge hergestellt werden, ungeachtet von gesundheitsschädlichen oder schnell zerschlissenen Materialien. 

Ja, es ist bequem schnell auf einer App zu klicken, es sich heimliefern zu lassen oder in große Einkaufszentren zu fahren. Aber es bleibt das Besondere auf der Strecke, wie auch das Zwischenmenschliche. Eine gute Beratung, Treffen mit Gleichgesinnten, mit denen ich auch nach einem Event in Kontakt bleiben könnte, weil ich jemanden mit gleichen Interessen haben kennenlernen können, wertschätzender Umgang und besondere Produkte mit Qualität, die noch mit Leidenschaft hergestellt werden – das alles geht verloren, wenn wir nicht umdenken.  

Die Mainzer Straße war früher eine sehr belebte Straße. Heute stehen viele Geschäfte leer. Warum dieser Standort?

Sissi Steuerwald: Als ich das Konzept entwickelte war mir schon klar, dass ich nicht in eine große Stadt möchte, sondern hier in Rheinhessen Räumlichkeiten finden möchte. Hier leben Menschen mit Sinn für Tradition und Qualität, was auch im Weinbau deutlich zu sehen ist. Geselligkeit und Gemeinschaft gehören zu unserer Kultur. Tatsächlich war ich zuerst mit der Stadtentwicklung Alzey im Gespräch, allerdings war es sehr schwierig, trotz Leerständen, ein Objekt zu finden. Deshalb habe ich selbst umgesehen und entdeckte die Mainzer Straße 6. Oppenheim verbindet Kultur, Geschichte und Tourismus. Natürlich wurde mir in der ersten Zeit immer wieder erzählt, wie schön es früher war. Doch das festkrallen an der Vergangenheit bringt meines Erachtens nichts. Wer eine Veränderung wünscht, muss etwas dafür tun und das nicht Klagen und Jammern. Ich sehe großes Potential in diesem Standort und möchte meinen Teil dazu beitragen. Daher mein Appell: Wer sich austauschen möchte, Ideen, Wünsche hat und sich lösen kann von alten Geschichten, um nach vorne zu gehen, der ist herzlich während der Öffnungszeiten in der Literatur- und Kulturlounge herzlich willkommen. Außerhalb dieser bin ich per E-Mail für alle erreichbar.  

Vielen Dank für deine Zeit und das angenehme Interview! Ich wünsche dir viel Erfolg und freue mich schon deine Veranstaltungen zu besuchen.

Hier findet Ihr die Kultur- und Literaturlounge